Das Johanniskraut zählt noch heute zu den großen Arzneipflanzen. Der ölige Auszug aus der Pflanze, das sogenannte Rotöl, wurde bei Brandwunden traditionell verwendet. Seit dem Mittelalter wurde es manchmal auch bei "Melancholie" empfohlen und sogar im Exorzismus eingesetzt. Die mittelalterlichen Krankheitsbezeichnungen "Melancholie" und u. U. auch "Besessenheit" können, in die moderne Sprache übertragen, Trübsinn oder Depression bedeuten, und genau das ist eine der aktuellen Anwendungen!
Das Johanniskraut gehört zu den Hartheugewächsen (Hypericaceae) und unterscheidet sich von den übrigen Arten der Gattung Hypericum vor allem durch seine scheinbar durchlöcherten - perforierten - Blätter und den vierkantigen Stängel. Die „Löcher“ sind in Wirklichkeit durchsichtige Öldrüsen.
Die Pflanze ist in ganz Europa heimisch. Wegen der großen Nachfrage in Deutschland wird sie nicht nur hier, sondern auch in Ungarn, Südafrika und Neuseeland angebaut.
In der Heilkunde wird das Kraut der Pflanze verwendet, das zur Zeit der Hochblüte gesammelt wird. Zu den prägenden Inhaltsstoffen zählen Hyperforin- und Hypericin‑Derivate, außerdem Flavonoide, Gerbstoffe und wenig ätherisches Öl. Der Wirkungskomplex beruht nicht auf einem Einzelstoff: Hyperforin trägt wesentlich zur antidepressiven Wirkung bei, Hypericine u. a. zu photosensibilisierenden Effekten. Vermutete Mechanismen sind die Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Das sogenannte Rotöl zeigt photodynamische Effekte in vitro und wird äußerlich auf intakter Haut angewendet.
Wissenschaftlich anerkannt ist die innerliche Anwendung standardisierter, zugelassener Johanniskraut‑Extrakte bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden sowie bei nervöser Unruhe; der Wirkeintritt erfolgt in der Regel nach 2–4 Wochen. Rotöl (Johanniskrautöl) wird äußerlich zur Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen sowie bei Verbrennungen 1. Grades eingesetzt; nicht auf offene Wunden und nicht vor intensiver Sonnen‑/UV‑Exposition auftragen.
Äußerlich angewendet beruhigt der ölige Auszug aus Johanniskraut (Rotöl) die Haut, lindert Reizungen und kann Heilungsprozesse unterstützen.
Johanniskraut kann Arzneimittelwechselwirkungen verursachen: Es induziert u. a. CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19 und P‑Glykoprotein. Dadurch können Wirkspiegel z. B. der Antibabypille, von Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus), Antikoagulanzien (z. B. Warfarin), HIV‑Therapeutika und bestimmter Zytostatika sinken. Kombinationen mit Antidepressiva, Triptanen und anderen serotonergen Arzneimitteln nur nach ärztlicher Rücksprache (Risiko Serotonin‑Syndrom). Bei hellhäutigen Menschen ist eine erhöhte Lichtempfindlichkeit möglich.
Literatur:
Johannes G. Mayer, Bernhard Uehleke, Pater Kilian Saum: „Handbuch der Klosterheilkunde“, ZS-Verlag München, S. 102-103.