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Am 19. Juni 2013 wurde das Lorscher Arzneibuch als erste Schrift aus der Epoche der Klostermedizin (8. bis 12. Jahrhundert) in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen (siehe hierzu die Meldung auf den Seiten der deutschen UNESCO-Kommisssion). Etwa 14 Jahre nach Gründung der Forschergruppe Klostermedizin und vier Jahre nach Einrichtung der Internetpräsenz "Welterbe Klostermedizin" ist somit ein großes Ziel unserer Arbeit erreicht.

Dies freut uns umso mehr, da die Forschergruppe nicht zuletzt aus der wissenschaftlichen Aufbereitung und Übersetzung des Lorscher Arzneibuches hervorgegangen ist, die in den 1980ern im Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg durchgeführt worden waren. Dokumentiert ist diese Arbeit in einer zweibändigen Faksimile-Ausgabe von 1990, bereits im Jahr zuvor fand in Lorsch ein medizinhistorisches Symposium statt.

Das Lorscher Arzneibuch ist auch heute noch, mehr als 1.200 Jahre nach seiner Niederschrift, voller medizinpolitischer Brisanz. So findet sich in ihm die Forderung, dass Heilkunst allen Menschen unabhängig von ihrem Reichtum zugänglich sein müsse. Ebenso verweist das Werk auf kostengünstige Arzneimittel aus heimischen Kräutern, entgegen den damals teuren Importen aus dem Orient. Übertragen auf unsere Zeit könnte man das als Rückbesinnung auf die eigene Medizintradition Europas interpretieren, die populären fernöstlichen Konzepten absolut ebenbürtig ist. Auch dies war ein wichtiger Aspekt, der 1999 zur Gründung der Forschergruppe Klostermedizin geführt hat. Doch noch in einem weiteren Punkt gleichen sich die Konzepte von Arzneibuch und Forscherguppe: Schon das um 795 verfasste Werk versuchte, "altes Heilwissen" zu bewahren. Nicht wenige seiner Quellen sind heute nicht mehr erhalten.


Inhalt des Arzneibuches

Der damaligen Zeit geschuldet ist eine einführende Rechtfertigung christlicher Heilkunst auch auf Basis antik-heidnischer Medizin. Wissenschaftsfeindliche Strömungen in der Kirche hatten ab dem 6. Jahrhundert ärztliches Tun als Eingriff in den Willen Gottes angeprangert. Mit dem Lorscher Arzneibuch und der Verordnung "Capitulare de villis" Karls des Großen (um 812) dürfte diese Diskussion ihren Höhepunkt erreicht haben.

Das zweite Textsegment enthält eine "Medizinalordnung" in Versform, die schwerpunktmäßig das Verhältnis zwischen Arzt und Patient behandelt und auch die  bereits oben erwähnte "Kostendämpfung im Heilmittelsektor" (Zitat Ulrich Stoll) enthält. In den weiteren Segmenten finden sich u. a. eine Einführung in die Medizin (Geschichte, Anatomie, aber auch der hippokratische Eid) sowie eine fragmentarische Drogen-Ersatzliste, Angaben zu Maßen und Gewichten sowie ein Glossar.

Der Hauptteil des Werkes, eine Sammlung von insgesamt 482 Rezepturen ist in fünf Bücher gegliedert und beansprucht 55 der 75 doppelseitigen Blätter. Hier finden sich Beispiele unterschiedlichster Komplexität sowie einige für damals hochinnovative Ansätze (u. a. der Einsatz von Herzglykosiden zur Kreislaufstabilisierung, der psychiatrische Einsatz von Johanniskraut oder ein "Proto-Penicillin" aus Schafdung, Honig und Käse zur Behandlung tiefer Wunden).

Den letzten Teil des Arzneibuches bildet ein Brief des byzantinischen Arztes Anthimus, in dem gesunde Ernährung thematisiert wird.


Fazit

Die wissenschaftliche Auswertung der mittelalterlichen Medizin ist auch heute noch lange nicht abgeschlossen. Die Aufnahme des Lorscher Arzneibuches in das Weltdokumentenerbe sowie die Ernennung Hildegards von Bingen zur Kirchenlehrerin vor wenigen Monaten könnten dieser Forschung jedoch wichtige neue Impulse verleihen.

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